<i>Von Lars Björn Gutheil (AHK)</i> Drei Wochen vor der Veröffentlichung des neuen EU-Finanzförderrahmens (MFF) bringen sich die baltischen Transportminister in Stellung. Selten erlebte man die Repräsentanten Estlands, Lettlands und Litauens auf Kuschelkurs wie in diesen Tagen. Und der gilt nicht nur einander, sondern ganz bewusst auch den Nachbarn in Finnland und Polen. Kein Wunder: Wenn die EU-Kommission am 2. Mai 2018 das Förderprogramm der Jahre 2021-2017 verkündet, steht das Schienen-Prestigeprojekt Rail Baltica auf dem Spiel. Dass die 5,8-Milliarden-Euro-Trasse zwischen Tallinn und Warschau leer ausgeht, ist zwar sehr unwahrscheinlich. Doch in den vergangenen Monaten kriselte es zunehmend zwischen Brüssel und den drei baltischen Hauptstädten. Außerdem drücken Themen wie Brexit, Migration und Russlandkrise aufs europäische Budget. Nach der Bekanntgabe des Förderrahmens wird dieser mit allen Mitgliedsstaaten diskutiert. Deshalb sind Partnerschaften gefragt, um die ausstehenden Projektkosten von fünf Milliarden Euro in voller Höhe über die Ziellinie zu bringen. So erlebte man die baltischen Minister in dieser Woche auch außergewöhnlich harmonisch, als sie in der estnischen Hauptstadt Tallinn gemeinsam das jährliche „Rail Baltica Global Forum“ eröffneten. In blaues Licht getaucht und freundlich Komplimente verteilend, betonten sie eine „neue Dimension der Verbundenheit“. Ab 2026 werde die 950 Kilometer lange Schnellschiene zwischen den baltischen Staaten für „Nutzen und Wohlstand sorgen“, wie es die estnische Transportministerin Kadri Simson formuliert. Die demonstrative Freundschaft ist allerdings bestenfalls ein paar Wochen alt. Noch im März hatte die litauische Seite vergeblich versucht, die lettische Chefin des gemeinsamen Konsortiums, Baiba Rubesa, von ihrem Posten zu verdrängen. Angesichts anhaltender Streitigkeiten und Verzögerungen sah sich Brüssel vor einigen Wochen gezwungen, den drei Staaten eine Frist zu setzen und die Zahlung von 110 Millionen Euro einzufrieren, bis über den Projektfortgang entschieden sei. „Der Nord-Süd-Korridor im Baltikum hat strategische Bedeutung für die Europäischen Union“, sagt der Finne Petri Sarvamaa, Vice Chair der Budgetkommission im Europäischen Parlament: „Doch Europa wird weitere Gelder nur zahlen, wenn sich die Balten über offene Fragen rasch einigen. Wir sind noch keineswegs am Ziel.“ Angesichts solcher Worte übt sich die Politik nun im demonstrativen Schulterschluss. „Alle beteiligten Staaten sollten ihre höchste Priorität darin sehen, stärker zu kooperieren“, betont etwa der lettische Minister Uldis Augulis. Dabei war es ausgerechnet Augulis, der das Projekt zugunsten einer Schiene zwischen Riga und Moskau zurückstellen wollte. In der Folge strich die EU Lettland mehr als zwölf Millionen Euro Fördermittel. Brüssel stellte unmissverständlich klar, keine Bahnstrecke nach Russland finanzieren zu wollen. Das Schienenprojekt Rail Baltica soll die langsame, noch aus Sowjetzeiten stammende Nord-Süd-Trasse des Baltikums durch eine Hightech-Strecke in europäischer Spurbreite ersetzen. In Riga wird die Linie auch den Flughafen anfahren, in Litauen soll es eine Stichstrecke von der Rail-Baltica-Station Kaunas in die Hauptstadt Vilnius geben. Visionäre träumen bereits von einem Untersee-Tunnel, der von Tallinn bis nach Helsinki weitergezogen werden könnte. Er würde allerdings weitere 13 Milliarden Euro kosten. Doch egal ob er kommt oder nicht: Durch den neuen Schienen-Korridor wird die gesamte Region endlich ans europäische Transportnetz (TEN-T) angeschlossen. Heute braucht ein Bahnreisender von Riga nach Berlin noch 43 Stunden und muss in Minsk umsteigen. Künftig sollen es weniger als sieben Stunden sein. Damit diese Vision nicht noch auf den letzten Metern ins Wanken gerät, suchen die Balten nun offenbar Verbündete für die anstehenden Finanzverhandlungen. „Die letzte Station von Rail Baltica heißt nicht Tallinn, sondern Helsinki“, sagt etwa Kadri Simson. Finnland und Polen sind zwar in das Projekt eingebunden. Simson will jedoch, dass die nördlichen Nachbarn sich noch stärker positionieren. Simsons litauischer Kollege Rokas Masiulis geht noch weiter. Die polnischen Nachbarn seien natürliche Verbündete - und das nicht nur im wirtschaftlichen Sinne. „Wir leben ins schwierigen Zeiten“, so Masiulis mit Blick auf die aktuelle Krise mit Russland: „Eine schnelle Schienenverbindung bedeutet auch eine höhere militärische Mobilität.“ Rail Baltica also nicht mehr als Wirtschaftsprojekt, Garant für Reisefreiheit und Wohlstand, sondern als Baustein europäischer Sicherheitspolitik? Das hat man so noch nicht gehört. Masiulis aber betont jetzt, für die Litauer sei Schutz „eine der wichtigsten Facetten“ des Projekts. Unterstützung erhält er von Catherine Trautmann, EU-Koordinatorin für den Nordsee-Baltikum-Korridor. „Das Engagement Polens liegt auf dem Feld der Sicherheit“, sagt diese: „Solidarität ist das Bindeglied, das diese Nachbarstaaten zusammenhält, und diese schützt auch den Frieden in diesen Ländern.“ Herald Ruijter, Verantwortlicher der EU-Kommission für Investment, Innovation und nachhaltigen Transport, bremst die Erwartungen: „Ich glaube nicht, dass Militärbewegungen hier eine Lösung für laufende Diskussionen bringen“, sagt er. „Die Beteiligten sollten sich auf die Entwicklungsfonds und ihre Voraussetzungen konzentrieren. Alles andere kann nur ein ‚Ad on‘ sein.“
Die politische Transformation in Estland, Lettland und Litauen verlief reibungslos mit wenigen Problemen. Die politischen Systeme haben sich dem BTI zufolge als zuverlässig erwiesen und seien über die Jahre stabil geblieben. Es seien Regulierungsinstitutionen ausgestattet sind, die nahezu frei von politischem Druck sind. Auch seien funktionierende Marktwirtschaft errichtet und eine liberale Wirtschaftspolitik verfolgt worden. Makroökonomisch befinden sich die drei Länder in einem guten Zustand mit guten mittelfristigen Aussichten. Demnach haben sich Estland, Lettland und Litauen nach Einschätzung der Bertelsmann-Experten weitgehend von der Rezession der Krisenjahre 2008 und 2009 erholt. Auf lange Sicht werde die Entwicklung zwangsläufig von der abnehmenden und alternden Bevölkerung beeinflusst. "Die wichtigste langfristige Herausforderung für Lettland bleibt die demografische Krise", heißt es etwa im Länderbericht zu Lettland. Auch eine anhaltende wirtschaftliche Stagnation und politische Turbulenzen in der EU sowie ein zunehmend aggressives Russland bildeten erhebliche Risiken für die drei kleinen Ostseestaaten. Mit dem Transformationsindex BTI analysiert und bewertet die Bertelsmann Stiftung seit 2006 regelmäßig die Qualität von Demokratie, Marktwirtschaft und guter Regierungsführung in 129 Entwicklungs- und Transformationsländern. Grundlage für die Bewertung sind detaillierte Länderberichte von 250 Experten international führender Universitäten und Think Tanks.
Europa sei einer der führenden Akteure in der Finanztechnologie (FinTech), und auch das Potenzial für künftiges Wachstum in diesem Sektor sei weiterhin hoch, sagte Dombrovskis im März bei der Konferenz "The Future of Financial Technology in the Baltics and EU” in Riga. Organisiert wurde die Veranstaltung von den Bankenverbänden Lettlands, Estlands und Litauens. "FinTech spielt bereits eine bedeutende Rolle für die Schaffung von Arbeitsplätzen und als Innovationsquelle in Europa", sagte Dombrovskis. In einem aktuellen Ranking der 100 innovativsten Fintech-Firmen der Welt stammten 33 aus der EU. Dies stimme "optimistisch" für die Entwicklung dieses Sektors, der die Finanzwelt unter Einsatz neuer Technologien mit innovativen Lösungen, verbraucherfreundlichen Ideen und disruptiven Geschäftsmodellen vereinfachen, verbessern und beschleunigen will. Lobende Worte fand der lettische Kommissar für die Entwicklung des Fintech-Sektors in seiner Heimat und den Nachbarstaaten Estland und Litauen. "Die baltischen Staaten stehen an der Spitze innerhalb der EU", sagte Dombrovskis. "Dies hängt mit vielen Faktoren zusammen, einschließlich der frühzeitigen Einführung digitaler Technologien, einer Kultur für Start-ups und Innovationen sowie einer zunehmenden grenzüberschreitenden Zusammenarbeit". Dombrovskis zufolge gebe es in Estland, Lettland und Litauen viele innovative und erfolgreiche Fintech-Firmen. Gewürdigt wurden vom EU-Kommissionsvizepräsident auch die "vielen proaktiven Initiativen" der Regierungen in Tallinn, Riga und Vilnius, um die Chancen, die sich durch Fintech ergeben, zu nutzen. "Damit Europa in Fintech erfolgreich sein und führen kann, müssen wir sicherstellen, dass unsere Unternehmen in der EU wachsen und sich vergrößern können", betonte Dombrovskis unter Verweis auf den Anfang März vorgestellten FinTech-Aktionsplan der EU-Kommission. Darin seien eine Reihe "konkreter Schritte für eine innovativere und wettbewerbsfähigere EU-Finanzindustrie" enthalten. Für FinTech gebe die EU-Kommission eine klare Richtung für die baltischen Staaten und für Europa vor. Beide sollten an der Spitze der globalen Finanzinnovationen, des Wettbewerbs und der Kundenfreundlichkeit bleiben, betonte Dombrovskis.
Es ist damit das einzige europäische Land, das unter die ersten fünf Plätze gekommen ist. An erster Stelle steht China, dahinter folgen Malaysia (3), Taiwan (4) und Kanada (5). Deutschland befindet sich auf Platz 38. Die Kriterien und Gewichtungen für das Ranking ergeben sich zu 40% aus den herrschenden Konditionen (Arbeitskräfte, Zugriff zu Märkten, Businessumfeld, etc.), weiteren 40% aus den Kosten (Produktions-/Arbeitskosten pro Stunde, Energie, Gebäude, etc.), sowie 20% aus den Risiken (Wirtschaftlich, Energie, Naturkatastrophen, etc.). Trotz der steigenden Löhne in Mitteleuropa bleiben die Arbeitskosten in den osteuropäischen Ländern die niedrigsten des Kontinents. In Litauen liegen diese noch einmal 14% unter Polens sowie 30% unter denen der Tschechischen Republik. Bezüglich der Leichtigkeit einen Betrieb zu gründen, reiht sich Litauen an zweiter Stelle, hinter Estland, in der mittel- und osteuropäischen Region ein. Bereits 2017 ist die Zahl der Investitionsprojekte im Vergleich zum Vorjahr um 27,1% gestiegen. Hella und Continental sind derzeit die wichtigsten Investoren in Litauen. Hella plant die Eröffnung des Werks in Kaunas für August 2018. Zunächst sollen 250 Mitarbeiter an dem neuen Standort arbeiten, langfristig sind 2.000 Arbeitsplätze geplant. Die Standorteröffnung von Continental ist für 2019 geplant. Es sollen 1.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. <a target="_self" class="icon-download" title="Cushman & Wakefield: Manufacturing Risk Index 2018" href="t3://file?uid=58335">Cushman & Wakefield: Manufacturing Risk Index 2018</a>