EU

Frühjahrsprognose 2020: EU fällt in historisch tiefe Rezession

11.05.2020

Die Corona-Pandemie stürzt die EU in die schwerste Rezession ihrer Geschichte: Die EU-Kommission rechnet in ihrer aktuellen Frühjahrsprognose für das Jahr 2020 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung innerhalb der EU von 7,4 Prozent.

Die Corona-Pandemie stürzt die EU in die schwerste Rezession ihrer Geschichte: Die EU-Kommission rechnet in ihrer aktuellen Frühjahrsprognose für das Jahr 2020 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung innerhalb der EU von 7,4 Prozent. In der Eurozone könnte die Wirtschaftsleistung dieses Jahr sogar um 7,7 Prozent schrumpfen. „Europa erlebt einen ökonomischen Schock, wie es ihn seit der großen Depression nicht mehr gegeben hat“, sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni bei der Vorstellung der Prognose im Mai in Brüssel. 

EU-Vize-Kommissionspräsident Valdis Dombrovskis sprach von einem “symmetrischen Schock”. “Sämtliche EU-Länder sind betroffen und dürften in diesem Jahr eine Rezession kaum vermeiden können”, sagte der frühere lettische Regierungschef. Die Tiefe der Rezession werde aber ungleich ausfallen – das Minus bei der Wirtschaftsleistung reicht in der Prognose von 4,3 Prozent in Polen bis zu 9,7 Prozent in Griechenland. 2021 dürfte es dann nach den Schätzungen der EU-Kommission in der Eurozone wieder um 6,3 Prozent und in der EU wieder um 6,1 Prozent bergauf gehen.

Angesichts der hohen Unsicherheit könne man das Ausmaß des Abschwungs durch die Folgen des Coronavirus aber nur vorläufig abschätzen. Die Folgen für die Weltwirtschaft seien bereits jetzt weitaus gravierender als durch die internationale Finanzkrise 2008. Mit ihrer Prognose reiht sich die Kommission in die düsteren Szenarien anderer Institutionen wie etwa dem Internationalen Währungsfonds(IWF) ein.

Die Aussichten für die baltischen Staaten liegen nahe dem Durchschnitt: In diesem Jahr werden Estland (-6,9 Prozent) und Lettland (-7,0 Prozent) etwas weniger stark einbrechen als Litauen (-7,9 Prozent), das dafür im kommenden Jahr ein höheres Plus als seine beiden baltischen Nachbarn verzeichnen soll. Mit einer Wachstumsrate von 7,4 Prozent platziert sich Litauen auf den vorderen Plätzen, während Lettland (6,4 Prozent) und Estland (5,9 Prozent) im Mittelfeld folgen.

Für Deutschland ist die Einschätzung der EU-Kommission für 2020 mit 6,5 Prozent sogar noch etwas ungünstiger als dieVorhersage der Bundesregierung, die in ihrer Frühjahrsprognose mit der schwersten Rezession der Nachkriegszeit rechnet und von einem Rückgang von 6,3 Prozent ausgeht. Im kommenden Jahr soll das BIP wieder um 5,9 Prozent zulegen.

Mit dem Wirtschaftseinbruch dürfte trotz Kurzarbeitsregelungen, Lohnzuschüssen und der staatlichen Unterstützung von Unternehmen die Arbeitslosenquote zulegen. Für die Eurozone geht die EU-Kommission von einem Anstieg von 7,5 Prozent 2019 auf 9,5 Prozent im laufenden Jahr aus. 2021 wird ein Rückgang auf 8,6 Prozent erwartet. In der gesamten EU soll die Rate von 6,7 Prozent im vergangenen Jahr auf 9,0 Prozent in diesem Jahr klettern. 2021 soll sie 8,0 Prozent betragen.

In einigen Mitgliedstaaten wird die Arbeitslosigkeit stärker ansteigen als in anderen. Besonders anfällig seien Länder mit einem hohen Anteil von Arbeitnehmern mit befristeten Kurzzeitverträgen und von Arbeitskräften, die vom Tourismus abhängig sind. Auch für junge Menschen, die in dieser Zeit in den Arbeitsmarkt eintreten, wird es schwieriger, ihre erste Stelle zu finden.

In den baltischen Staaten wird im Vergleich zur Finanzkrise 2008 ein weniger starker Einbruch auf dem Arbeitsmarkt erwartet - nicht zuletzt aufgrund der politische Maßnahmen zur Milderung der Arbeitslosigkeit. Dennoch wird der Anstieg kurzfristig erheblich sein: In Estland wird die Quote 2020 von 4,4 Prozent voraussichtlich auf 9,2 Prozent steigen, bevor sie im kommenden Jahr auf 6,5 Prozent zurückgeht. In Lettland (8,3 Prozent) und Litauen (7,9 Prozent) wird die Rate dagegen 2021 etwas höher liegen - nach einem Anstieg von jeweils 6,3 Prozent in 2019 auf  8,6 Prozent (Lettland) und 9,7 Prozent (Litauen) in diesem Jahr.

In Deutschland sollen in der Coronakrise viele Beschäftigte durch öffentlich finanziertes Kurzarbeitergeld vor Arbeitslosigkeit geschützt werden.  Nach Einschätzung der EU-Kommission wird die Arbeitslosenquote in der Bundesrepublik in diesem Jahr von 3,2 Prozent (2019) auf 4,0 Prozent steigen. Für 2021 wird eine Rate von 3,5 Prozent prognostiziert. 

Die politische Maßnahmen und Milliarden zu Krisenbewältigung werden zu einem Anstieg der öffentlichen Defizite und des öffentlichen Schuldenstands in allen Ländern der EU und Eurozone führen. Eine Inflationsgefahr sieht die EU-Kommission trotz der Geldschwemme nicht. Angesichts des Nachfragerückgangs und der drastisch gefallenen Ölpreise werde die Teuerungsraten erheblich sinken und die pandemiebedingten Preiserhöhungen in einigen Bereichen mehr als ausgleichen.